Meine Eltern waren im Januar sehr stolz auf mich. Sie waren dabei, als ich im Grimme-Institut einen Journalistenpreis entgegennehmen durfte: eine silberne Statuette, eine imposant gerahmte Urkunde und 5.000 Euro.
Dass ich diesen Preis jetzt wieder los bin, habe ich ihnen noch nicht gesagt. Auch nicht, dass ich die Ehrung freiwillig zurückgebe.
Den Donnepp Media Award erhielt ich damals für meinen Medienjournalismus, vor allem bei Übermedien. Die Preisverleihung war für mich ein Selbstbewusstseins-Booster: so viel Wertschätzung für meine Texte!
Nette Gespräche führte ich auch mit den zwei Menschen, die mit mir zusammen ausgezeichnet wurden, mit undotierten Ehrenpreisen: Fernseh-Mann Oliver Kalkofe, der sich trotz seiner Prominenz glaubwürdig freute. Und eine Abiturientin, die Medienkritik auf Instagram macht – mutig vor allem, weil sie dabei das heikle Thema Gaza anpackt.
Jetzt ist herausgekommen, dass diese Schülerin, Judith Scheytt, ihren Preis schon vor Wochen zurückgeben musste. Sie selbst hat das am Montag auf Instagram erzählt, meine Kollegin Lisa Kräher hat die Hintergründe recherchiert (ihr Text folgt bei Übermedien).
Ein jüdisch-christlicher Verein aus Köln wirft Judith Scheytt Antisemitismus und Einseitigkeit vor. Der Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises, der den Preis verleiht, entschied deswegen, die Ehrung zurückzufordern – gegen den Willen mehrerer Jurymitglieder. Sie haben sich von der Entscheidung inzwischen distanziert.
Dass Judith Scheytts Arbeit einseitig ist, ist wenig überraschend: Sie ist keine Journalistin, sondern bezeichnet sich als Aktivistin. In Tonfall und Differenzierungsanspruch haben ihre und meine Arbeit wenig gemeinsam (sie hält grundsätzlich wenig vom deutschen Medienjournalismus, wie sie in ihren Videos klarmacht).
Aber: Glaubwürdige Belege für Antisemitismus hat der Vereinsvorstand bisher nicht vorgelegt. Unter anderem verwies er auf eine mithilfe von KI erstellte „wissenschaftliche Analyse“. Wenn alle darin kritisierten Äußerungen antisemitisch wären, dürfte man gar keine Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung mehr äußern. Selbst dass Judith Scheytt Empathie für die jüdischen Geiseln bekundet, wird gegen sie ausgelegt.
Dazu passt, dass die Rücknahme des Preises versteckt erfolgte. Der Verein veröffentlichte kein Statement dazu. Er informierte die anderen Preisträger nicht darüber. Und er setzte sich einfach über mehrere Jurymitglieder hinweg, gab ihnen nicht einmal Bescheid, dass der Preis zurückgefordert worden war.
Ich gebe deswegen meine Auszeichnung zurück. Zum einen aus Solidarität mit Judith Scheytt. Die Vereinsvertreter haben sich offensichtlich mit ihrer Arbeit und ihren Themen nicht ausreichend auseinandergesetzt, weder vor noch nach der Preisverleihung. Sonst hätten sie gewusst, dass die Auszeichnung Kritiker auf den Plan rufen wird – und sich dafür besser gewappnet. Sonst hätten sie verstanden, dass ihr Einknicken genau die Schieflage beweist, die Judith Scheytt immer wieder kritisiert.
Das zeugt von wenig Respekt gegenüber der Arbeit einer jungen Medienmacherin und ist leider typisch für weite Landstriche in der hiesigen Medienlandschaft, in der die Bezeichnung als „junge Frau“ oft ein als Kompliment getarntes Synonym für Inkompetenz ist. Hätte der Verein mir meinen Preis auch weggenommen, wenn ein paar Aktivisten sich nur laut genug beschwert hätten?
Noch mehr ärgert mich aber ein zweiter Punkt: Medienjournalismus lebt davon, Inhalte zu inspizieren. Vorwürfe unvoreingenommen zu durchleuchten. Vor öffentlichem Druck und harscher Kritik nicht zu kuschen.
Im Fall Judith Scheytt ist nichts davon passiert. Ich möchte mich nicht für „guten Medienjournalismus“ auszeichnen lassen von einem Verein, der dessen Prinzipien selbst nicht einhält.
Ich solidarisiere mich nicht mit der politischen Haltung von Judith Scheytt. Ich wende mich auch nicht gegen die Jury-Mitglieder, die wochenlang nicht wussten, dass ihre Auswahl einer Preisträgerin untergraben worden war. Ich finde es auch wichtig zu differenzieren: Der verantwortliche Verein ist mit dem Grimme-Institut zwar eng verbandelt, mit den renommierten Grimme-Preisen hat der Eklat aber nicht viel zu tun.
Ich finde den Donnepp Media Award wichtig, viele tolle Menschen haben ihn schon er- und sollten ihn meiner Meinung nach auch behalten – sie haben ihn in einem anderen Kontext und von anderen Jurys bekommen. Hoffentlich bedeutet dieser Eklat nicht das Ende des Preises, sondern eine Rückbesinnung auf das, wofür er steht.
Trotzdem: Die silberne Statuette und die Urkunde werde ich in ein Päckchen packen. Die 5.000 Euro Preisgeld werde ich an den Verein zurücküberweisen. Und danach werde ich meine Eltern anrufen.
Mehr zu den Hintergründen berichten wir am Donnerstag bei Übermedien.